von Laurien87
Als Mina das wieder zu sich kam, öffnete sie langsam ihre Augen. Sie versuchte herauszufinden, wo sie war, doch alles um sie herum kam ihr fremd vor. Nein, nicht nur fremd, es kam ihr merkwürdig vor. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie lag in einem Bett. In einem echten Menschenbett. Warum sollte sie sich in ein Bett gelegt haben? Feen schliefen im Allgemeinen schwebend in ihren Baumhöhlen und keinesfalls in Betten. Das hatte auch einen Grund! Sie drehte ihren Kopf, bis sie ihre Flügelspitzen sehen konnte. Ihre Flügel waren zerknickt, weil sie zu lange auf ihnen gelegen hatte. Mina streckte sich und versuchte sie soweit es ging zu entknittern.
Was war eigentlich passiert? Sie erinnerte sich noch daran, dass sie in Professor Snapes Labor gewesen war. Dort hatte er ihr Blut abnehmen wollen. Hatte er es getan? Und wieso erinnerte sie sich an nichts anderes mehr. Was war danach geschehen? Ihm wäre es durchaus zuzutrauen gewesen, dass er ihr ein Schlafmittel oder ähnliches gegeben hatte. Vielleicht hielt er sie jetzt hier gefangen!
Mina seufzte. So oder so: Es würde sicher einige Stunden dauern, bis sie wieder fliegen konnte. Also beschloss sie sich erst einmal umzusehen. Ihr Blick glitt über das kleine Bett, einen Schrank, ein hässliches Bild an der Wand und vergilbte Tapete dahinter. Außerdem gab es ein Fenster und eine Tür. Neugierig öffnete Mina sie und betrat einen schmalen Flur. Moment mal! Ein schmaler Flur? Mina stutzte und rannte zurück in das Zimmer. Das Bett, der Schrank, das Fenster… irgendetwas stimmte hier nicht! Im ersten Moment dachte Mina, sie hätte sich vielleicht wieder in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt, aber dann hätte sie keine Flügel haben dürfen. Trotzdem hatte alles die richtige Größe. Es war, als ob es sich um eine Maßanfertigung handeln würde. Aber wer baute schon Wohnungen für Feen. Mina war äußerst verwirrt, nahm dennoch ihren ganzen Mut zusammen und betrat erneut den Flur. Von ihm aus führte eine Treppe hinab in das untere Stockwerk. Langsam ging sie hinab. Wer mochte hier wohnen? Es musste ein sehr kleines Wesen sein. Als sie das Erdgeschoss erreichte, fiel ihr Blick auf eine Garderobe. Dort hingen zwei verfilzte Jacken neben einem blinden Spiegel. Als sie eine der abgehenden Türen öffnete, entdeckte sie eine Küche. Sie betrat den Raum langsam und erschrak. Am Küchentisch saß jemand. Er hatte ihr den Rücken zugedreht, sodass sie nicht erkennen konnte, wer oder was es war, doch am Rücken konnte sie keine Flügel entdecken.
„Ehm… entschuldigen Sie? Mein Name ist Mina Summer“, Minas Stimme klang unsicher. Die Person auf dem Stuhl reagierte nicht.
„Wohnen Sie hier?“, startete Mina einen neuen Versuch. Wieder erhielt sie keine Reaktion. Sie beschloss sich dieses merkwürdige Wesen einmal von vorne anzusehen. Vielleicht konnte es ja nicht antworten. Vielleicht wurde es auch von Snape in diesem merkwürdig kleinen Haus gefangen gehalten.
„Hallo?“, fragte sie vorsichtig und ging um den Stuhl herum. Die Gestalt die dort saß, hatte ein hellbraunes Gesicht, struppiges, blondes Haar und trug einen Fetzten, der ganz offensichtlich aus Filz war. Mina kam etwas näher: „Hallo?“, wiederholte sie ihre Ansprache noch einmal. Die fremde Person auf dem Stuhl machte ihr Angst. Sie hatte diffuses Dauergrinsen auf dem Gesicht und schwarze, leere Punkte als Augen. Mina schluckte. Vielleicht war das ja ein Zombie… oder irgendein anderes totes Ding. Langsam erhob sie ihre Hand, um das Wesen zu berühren. Halb machte sie sich schon darauf gefasst, dass es sie gleich angreifen würde. Umso überraschter war sie, als sie das Gesicht des Wesens berührte.
Holz… das Ding vor ihr schien aus Holz zu sein. Kein Wunder, dass es nicht auf ihre Fragen antwortete. Aber warum um alles in der Welt setzte jemand eine Holzfigur in diese Küche?
Mina trat an das Küchenfenster heran. Vielleicht konnte sie ja erkennen, wo sich das unheimliche Haus befand. Sie schob die Gardine bei Seite und schrie vor Überraschung und Angst auf. Nur wenige Zentimeter vom Fenster entfernt schaute sie in ein riesiges Auge, dass schwarz und unheimlich durch das Fenster zurückstarrte. Mina wich einige Schritte zurück, stolperte über einen alten Teppich, der auf dem Boden lag und starrte angsterfüllt in Richtung Fenster.
Plötzlich geschah etwas, dass Mina nur noch furchtsamer machte. Die Erde bewegte sich. Das gesamte Haus schien zu wackeln. Ein Erdbeben!, dachte Mina. Aber in England gab es doch normalerweise gar keine Erdbeben! Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, was wohl als Ursache für das Beben in Frage kommen könnte, geschah etwas weit aus schlimmeres. Das Haus schien zu zerbrechen. Die Wand mit dem Fenster bewegte sich ein Stück weg, im Boden klaffte ein riesiger Spalt, der immer Größer zu werden schien. Mina rappelte sich auf. Die Wand war inzwischen so weit vom Zimmer entfernt, dass sie endlich ihre Umgebung erkennen konnte. Sie war jedoch nicht draußen, wie sie es erwartet hatte. Das Haus schien in einem anderen Haus zu stehen. Genauer gesagt in einem Zimmer. Minas Neugier siegte und sie trat an den Abgrund heran. Jetzt erkannte sie auch, um welches Zimmer es sich handelte, doch sie wusste im gleichen Augenblick nicht, ob sie das beruhigen oder entsetzen sollte.
„Guten Abend, Miss Summer. Haben Sie endlich ausgeschlafen?“, die gewohnt kalte und spöttische Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Sie befand sich also wirklich in Snapes Büro.
Der Zaubertrankmeister stand vor ihr. Schwarz und unnahbar und jetzt, da sie nicht fliegen konnte, schien er doppelt so groß zu sein wie sonst.
„Professor Snape! Wo bin ich hier? Was ist das für ein merkwürdiges Haus?“ Mina war immer noch ganz schwindelig vor lauter Eindrücken, die in den letzten Minuten auf sie herabgerauscht waren.
„Möchten Sie nicht erst einmal herauskommen, Miss?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Das würde ich wirklich sehr gerne tun, aber ich habe eine Information für Ihre Forschung: Feen schlafen nicht in Betten! Meine Flügel sind verknickt und ich kann erstmal nicht fliegen.“
Ohne sie weiter zu beachten, zog Snape eine Feder hervor und schrieb sich etwas auf ein Blatt Pergament.
„Würden Sie mich bitte hier herausholen?“, startete sie einen neuen Versuch, mit ihm zu kommunizieren.
Wortlos hielt Snape ihr widerwillig eine Hand entgegen. Mina sprang hinauf und setzte sich in seine Handfläche. Verwundert stellte sie fest, dass seine Hände angenehm warm waren. Warum auch immer, sie hatte sich vorstellt, dass ein so kalter, düsterer Mann auch immer kalte Hände haben musste. Als Snape sich einige Schritte von dem Haus entfernt hatte, konnte Mina es endlich aus einer besseren Perspektive betrachten. Das Haus war tatsächlich aufgeklappt. Die gesamte Front war an zwei Scharnieren befestigt. Nun konnte man in jedes der vielen Zimmer hineinschauen. Neben der Holzpuppe in der Küche schienen noch andere merkwürdige Figuren in die Zimmer gesetzt worden zu sein.
„Professor, was ist das? Und warum ist es so.. klein?“, Mina vergaß für einen Moment ihre Empörung über den Mann, auf dessen Hand sie saß. Dieses merkwürdige Gebäude faszinierte sie.
„Das, Miss Summer, ist ein Puppenhaus. Viele Muggelkinder spielen damit, aber auch in der magischen Welt scheint es einigermaßen verbreitet zu sein. Professor Burbage, unsere Lehrerin für Muggelkunde hat es mir zur Verfügung gestellt.“
„Aber warum? Warum haben Sie mich in dieses Haus gesperrt?“
Snape schien bei ihrer Frage noch etwas ungehaltener zu werden.
„Sie sind unglücklicher Weise bei meinem Versuch, Ihnen etwas Blut abzunehmen, ohnmächtig geworden. Ich hielt es für angemessen, Sie nicht daraufhin nicht unbeobachtet in den Wald zu entlassen! Sie waren immerhin 3 Tage nicht bei Bewusstsein.“ Es klang beinahe so, als hätte der Professor es gut gemeint, doch Mina verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Viel plausibler war es doch, dass er nicht zulassen konnte, dass seine Forschungen zu diesem frühen Zeitpunkt aus ihren gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden mussten.
„Welchen Tag haben wir heute?“, fragte Mina vorsichtig.
„Sonntag. Es ist 16 Uhr und die Schüler kommen gleich aus ihren Ferien zurück. Heute Abend findet das Festessen in der großen Halle statt“, ihn schien die Vorstellung, dass in wenigen Stunden die Ruhe des Schlossen durch hunderte von Kindern zerstört werden würde, überhaupt nicht zu gefallen. Bei dem Wort „Festessen“ fiel Mina auf, dass sie unglaublichen Hunger hatte. Sie spürte bereits, wie ihr Magen anfing zu knurren.
„Professor? Haben Sie vielleicht etwas zu Essen für mich?“
Snape hatte sein Pergament erneut gezückt.
„Wovon ernähren sich Feen denn im Allgemeinen?“, er hatte das kleine Wesen von seiner Handfläche genommen und vorsichtig auf seinem Schreibtisch abgesetzt, damit er beide Hände für seine Notizen frei hatte.
Mina seufzte: „Ist es denn wirklich nötig, dass Sie sich jede Kleinigkeit über mich aufschreiben?“ Doch als er darauf nicht reagierte, beantwortete sie seine Frage:
„So lange ich an die Feengestalt gebunden bin, esse ich Beeren, manchmal auch ein paar gebratene Bucheckern und trinke etwas Tauwasser dazu.“
„Nun“, sagte er, „ob die Hauselfen in der Küche Tauwasser haben, kann ich Ihnen kaum versprechen.“ Er trat an den Kamin, warf etwas Flohpulver hinein und beugte sich über die Flammen. Wenige Augenblicke später erschien ein Elf in seinen Räumen mit einer kleinen Schale Erdbeeren und einer Untertasse Wasser. Snape wies ihn an, alles auf den Tisch zu stellen und der Elf verschwand so schnell wie er gekommen war. Gierig kletterte Mina in die Erdbeerschale, nahm ein Stück in beide Hände und biss genüsslich hinein. Snape schaute sich ihr Essverhalten einige Minuten an und schrieb weitere Beobachtungen auf, was ihm einen bösen Blick von Mina einbrachte. Die kleine Fee hatte die Schale wieder verlassen und wusch ihre Hände und ihr Gesicht nun im bereitgestellten Wasser. Sie trank einige Schlucke aus ihren Händen und setzte sich dann angelehnt an ein Tintenfass satt und zufrieden auf die Tischplatte.
Snape stand etwas unschlüssig im Raum. Er war einigermaßen erleichtert, dass es Mina wieder besser zu gehen schien. Immerhin war seine Unachtsamkeit schuld daran, dass sie so lange nicht bei Bewusstsein gewesen war. Von diesem unangenehmen Gefühl jedoch, war ihre lange Erholungszeit, die ganz offensichtlich auf einen wesentlich langsameren Stoffwechsel schließen ließ, äußerst aufschlussreich gewesen. Wie er ihr jedoch mit seinen Forschungen dabei helfen sollte, sich wieder verwandeln zu können, blieb auch dem Zaubertrankmeister ein Rätsel. Er beschloss jedoch, sich keine Gedanken darüber zu machen. Dumbledore hatte bestimmt einen Grund gehabt, ihn mit dieser Aufgabe zu betrauen. An erster Stelle standen seine Forschungsarbeiten. Er musste so viel wie möglich über dieses Wesen herausfinden, ehe sie es sich anders überlegte und sich seinen Untersuchungen entzog.
„Miss Summer, ich werde in wenigen Minuten in der großen Halle erwartet. Da Sie noch immer nicht im Stande sind, zu fliegen, wie ich annehme, schlage ich vor, sie verbringen die nächsten Stunden hier in meinem Büro.“
Mina nickte. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Der große, böse Tränkemeister vertraute ihr so sehr, dass er sie alleine in seinem Büro warten ließ? Vielleicht hatte sie sich tatsächlich in ihm getäuscht und hinter seiner abweisenden und spöttischen Art, steckte doch ein gutes Herz.
„Ja Sir, ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn ich so angeschlagen noch nicht in den Wald zurückgehen müsste.“ In Gedanken malte Mina sich bereits aus, wie es wohl war das Büro des Professors einmal in aller Ruhe betrachten zu können.
„Schön!“, sagte Snape knapp und ein böses Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann griff er nach der kleinen Fee, packte sie und setzte sie in einen kleinen Vogelkäfig, der in einer Ecke auf einem Regal stand. Mina blieb vor Schreck der Mund offen stehen, doch da hörte sie bereits das metallene Klingen als sich das Schloss hinter seiner Hand verschloss.
Snape kam ganz nah mit seinem Gesicht an die Gitterstäbe:
„Sie glaube wohl kaum, Miss Summer, dass ich sie mehrere Stunden unbeaufsichtigt mein Büro durchstöbern lasse!“
Seine kalte Stimme klang Mina noch in den Ohren, als er bereits mit wehendem Umhang in die Kerkergänge verschwunden war. Die kleine Fee setzte sich auf den sandigen Boden des Käfigs und spürte, wie eine kleine Träne ihre Wange herunterlief.
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Ach, wie traurig! Snape ist aber auch ein böser, böser Mann :-)
Freu mich, wenn ihr ein Review da lasst!
Liebe Grüße
Laura
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